Gamma nach Restlaufzeit der Option

Alles was du über Gamma einer Option wissen musst

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Zuletzt aktualisiert am 25. August 2024 von Tools-for-Trader

Bei Gamma handelt es sich neben Delta, Theta und Vega um eine weitere wichtige Kennzahl, welche aus dem Black-Scholes Model zur mathematischen Beschreibung europäischer Optionen entstanden ist. Da Gamma, wie auch Theta, Delta und Vega, als griechischer Buchstabe ausgedrückt wird, bezeichnen wir auch Gamma als einen der Optionsgriechen.

Was ist Gamma bei Optionen

Bei Gamma handelt es sich mathematisch gesehen um die 1. Abteilung von Delta nach dem Wert des Basiswertes. Der Grieche Gamma lässt sich mathematisch wie folgt ausdrücken:

$$\gamma = \frac{\delta \Delta}{\delta S}$$
Bei $\delta \Delta$ handelt es sich um die Änderung von Delta und bei $\delta S$ um die Änderung des Preis des Basiswertes.

Einfach ausgedrückt handelt es sich bei Gamma also darum, wie sich Delta ändert, wenn sich der Preis des Basiswerts ändert.

Je höher Gamma ist, desto schneller ändert sich das Delta der Option bei Änderung des Basiswerts. Je niedriger Gamma ist, desto weniger ändert sich Delta bei Änderung des Basiswerts.

Long Optionen haben positives Gamma

Wenn wir Optionen kaufen, platzieren wir uns damit long Gamma. Dabei ist es egal, ob wir Puts oder Calls kaufen. Long Option = Long Gamma.

Angenommen, wir haben eine Call-Option auf SPY mit einem Delta von 20 gekauft. Aktuell befindet sich der Strikepreis der Option über dem Kurs des Basiswerts und wir spekulieren auf steigende Kurse. Steigt nun SPY im Preis und der Basiswert nähert sich dem Strikepreis der Option, so steigt Delta immer schneller an. Bis die Option schließlich am Geld ist (Strike der Option = Kurs des Basiswerts). Ist die Option am Geld, so hat das Gamma der Option sein Maximum erreicht und die Schwankungen von Delta sind am größten.

Da Delta am Geld die größten Änderungen vollzieht, schwankt auch der Gewinn- und Verlust der Position aufgrund des hohen Gammas am stärkten. Die Volatilität des Optionspreises ist am Geld am größten.

Steigt der Basiswert jetzt noch weiter im Preis, nimmt Gamma wieder ab. Das Delta der Option ändert sich immer langsamer, je höher der Kurs des Basiswerts steigt. Bis die Option schließlich tief im Geld ist und Delta kaum noch Änderungen vollzieht.

Short Optionen haben negatives Gamma

Verkaufen wir Optionen, sind wir short in der Option. Damit platzieren wir uns gleichzeitig auch Short Gamma. Dem Gamma ist es egal, ob wir Puts oder Calls verkaufen. Solange wir die Option shorten (z.B. Schreiben als Stillhalter), sind wir Short Gamma. Das Gamma ist negativ.

Hier wieder ein kurzes Beispiel. Wir verkaufen diesmal eine Option auf den SPY ETF mit einem Delta von 20. Unsere Strategie ist es Cashflow bzw. Einkommen mit dem Verkauf von Put-Optionen zu erzielen. Der Strike unserer Option liegt mit Delta 20 deutlich unter dem aktuellen Preis des Basiswerts.

Steigt nun SPY im Preis, so wird das Gamma, welches bei unserer Short-Option negativ ist, größer und geht weiter gegen null (ACHTUNG: Wir sind short Gamma, da wir short Option sind. Der absolute Wert von Gamma wird kleiner.). Das Options-Delta schwankt jetzt immer weniger. Je weiter der Preis von SPY steigt, desto weiter läuft Gamma in Richtung null, bis die Option weit aus dem Geld ist. Unser Trade ist hier profitabel.

Verläuft der Trade gegen uns und SPY sinkt im Preis, wird Gamma immer schneller kleiner (ACHTUNG: Der absolute Wert von Gamma wird hier größer. Aber da wir in der Option short sind, ist unser Gamma negativ und wird noch negativer). Gamma erreicht sein Minimum (negatives Maximum), wenn die Short Option am Geld ist. Dies tritt auf, wenn Strikepreis dem Preis des Basiswerts entspricht. Wir sehen hier wieder die größten Schwankungen der Gewinn- und Verluste dieser Position. Sinkt der Basiswert nun weiter, wird Gamma wieder größer und läuft dann gegen null, wenn die Option tief im Geld ist.

Einfluss der Restlaufzeit (DTE) auf Gamma

Wie auch auf Delta hat die Restlaufzeit der Option (DTE – Days to Expiration) einen entscheidenden Einfluss auf Gamma.

Hierzu schauen wir uns nochmal den Verlauf von Delta in Abhängigkeit der Option zum Preis des Basiswerts an.

Wir erinnern uns, dass die implizite Volatilität der Option im Normalfall abnimmt, je näher wir uns ans Verfallsdatum der Option annähern (besondere Ereignisse, wie Earnings mal ausgenommen). Das Fenster möglicher Kurse des Basiswerts zum Verfall, die über die implizite Volatilität eingepreist werden, wird immer enger und die Deltas zwischen 0 und 1 verteilen sich über weniger Strikes.

Daher wird auch die Kurve, auf die sich Delta bewegt, immer steiler.

Da Gamma als Änderung von Delta nach dem Basiswert definiert ist (1. Abteilung von Delta nach Preis des Basiswerts) handelt es sich bei Gamma um die Steigung dieser Kurve.

Bei kürzeren Laufzeiten wird diese immer steiler und damit wird auch Gamma immer größer.

Umso länger die Laufzeit der Option ist, umso flacher verläuft Gamma und um so kleiner ist das Maximum (in absoluten Werten).

Einfluss der Volatilität auf Gamma

Der Einfluss der Volatilität auf Gamma verhält sich so, wie der Einfluss der Restlaufzeit.

Bei höherer Volatilität (Vergleiche längere Restlaufzeit) sind die Strikes um den Preis des Basiswerts mit relevanten Deltas weiter verteilt. Damit wird auch die Kurve auf der sich Gamma bewegt breiter und das Maximum von Gamma wird flacher.

Bei niedriger Volatilität (vergleiche kürzere Restlaufzeit) sind die Strikes um den Preis des Basiswerts mit relevanten Deltas enger zusammen. Damit wird die Kurve von Gamma spitzer und das Maximum von Gamma ist größer.

Anwendungen von Gamma in der Praxis

Gamma als Tool für das Risikomanagement

Das Konzept von Gamma zu verstehen, ist für jeden Optionshändler essenziell. Dabei geht es nicht unbedingt darum, wie Gamma berechnet wird, sondern das Konzept von Gamma nachzuvollziehen und daraus Anwendung für die Praxis beim Optionshandel zu ziehen.

Der wichtigste Anwendungsfall für Gamma ist das Risikomanagement. Bei Gamma handelt es sich um die Änderung von Delta, wenn sich der Preis des Basiswerts ändert. Als Optionstrader gehen wir eine Optionsposition ein, mit der wir Geld verdienen wollen. Da nicht immer alles nach Plan läuft und Positionen auch gegen uns laufen können ist es wichtig, die Positionen jederzeit managen zu können. Je höher das Gamma der Option, desto stärker schwankt Delta. Dies bedeutet auch: Je höher Gamma, desto schwieriger wird das Portfolio zu managen, da die Schwankungen im Portfolio mit höherem Gamma zunehmen. Unsere Volatilität im Portfolio nimmt damit zu.

Also halten wir fest:

Gamma nimmt zu, je:

  1. näher die Option am Geld ist.
  2. kürzer die Laufzeit der Option.

Diese beiden Konzepten sind essenziell für den Optionshändler und lassen sich in unser Risikomanagement integrieren.

Gamma beim Positionsmanagement für Stillhalter (Verkäufer von Optionen)

Unter Berücksichtigung der Konzepte und der Funktionsweise von Gamma lassen sich grundsätzliche zwei Konzepte für das Positionsmanagement ableiten.

Es geht darum, das Risiko und die Volatilität im Portfolio kleinzuhalten, dass zum einen der Account überlegt und zum anderen die Positionen gemanaged werden können. Preissprünge bei der Optionen sollen möglichst klein gehalten werden.

Tastylive hat hierzu immer wieder Studien durch geführt. Dabei hat sich die 21 DTE (Days to Expiration) Grenze hier als praktikabel erwiesen. Dies bedeutet, dass jede offene short Optionsposition bei 21 Tage geschlossen wird, um das Gammarisiko zu minimieren. Ob diese gleichzeitig gerollt wird, oder die Position einfach geschlossen wird, bleibt davon unberührt.

Ein täglicher Blick auf Gamma hilft, ist aber nicht zwingend notwendig, sofern wir Optionen also früh genug schließen.

Was ist ein Gamma Squeeze?

Ein Gamma Squeeze kann auftreten, wenn Market Maker gezwungen sind ihre Short Positionen schnell und stark zu hedgen. Dies kann dazu führen, dass es zu einem Feedback Loop kommt, bei dem steigende Preise zu mehr Hedging Aktivität führen und dies wieder die Preissteigerungen antreibt.

Hier ein Beispiel, wie das Ganze in der Praxis ablaufen kann.

Viele Trader wetten auf höhere Kurse eines Basiswertes und kaufen hohe Mengen an aus dem Geld liegende Call-Optionen. Dieser hohe Bedarf an Call-Optionen treibt dessen Preise in die Höhe. Market Maker verkaufen nun eine hohe Anzahl dieser Optionen und nehmen damit die Short Position dieser Call Optionen ein.

Steigt jetzt der Preis des Basiswertes, steigt auch das Gamma dieser Optionen. Das Portfolio der Market Maker wird zunehmend mehr short Delta und immer stärker short Gamma, je näher der Preis an den Strike der Option rückt.

Um das Risiko zu hedgen gehen Market Maker jetzt long Delta Positionen ein. Sie kaufen den Basiswert, um ihr Portfolio-Delta zu reduzieren. Dies führt zu Preisdruck im Basiswert, was wiederum den Preis nach oben treibt. Weiter führt dies dann wiederum dazu, dass das Short-Delta Portfolio noch mehr mit Aktien des Basiswerts gehedged werden muss, um das Risiko zu minimieren. Die Feedback-Spirale ist jetzt im vollen Gange. Da dies den Preis des Basiswerts explosionsartig nach oben schießen kann und Gamma der Antreiber ist, wird dies Gamma Squeeze genannt.

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